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forschungsprojekt

Die Präsenz des Selbst verlagert sich zunehmend in digitale Räume. Diese Entwicklung verstärkt und beschleunigt sich in Zeiten der globalen Pandemie, in der physische Räume nur noch eingeschränkt zugänglich sind. Dabei spielen modische Aspekte der Selbstdarstellung im virtuellen Raum eine zentrale Rolle. Zugleich drängen sich Fragen nach nachhaltigen Konsum-Alternativen auf. In diesem Spannungsfeld emanzipiert sich Kleidung von ihrem textilen Ursprung und manifestiert sich zunehmend in virtueller Form im Internet. Das von den Studierenden des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg Judith Brachem und Lucas Stübbe initiierte Forschungsprojekt widmet sich dieser vestimentären Virtualität aus einer interdisziplinären, bildwissenschaftlichen Perspektive und wird gewonnene Erkenntnisse in einer abschließenden Ausstellung vermitteln.

Der Hamburger Kulturwissenschaftler Aby Warburg (1866–1929) erforschte die Bildwanderung zwischen Epochen, Medien und Kulturen und begründete so eine neue Sichtweise auf Kunst und Populärkultur. Mit seinen Betrachtungen des Vestimentären aus kunst- und bildwissenschaftlicher Perspektive sticht er aus seiner Disziplin deutlich heraus. Unter dem von ihm geprägten Begriff des „bewegten Beiwerks“, welches für ihn im Zusammenhang mit gesteigertem Ausdruck stand, fasste er seine Beobachtungen zu Kleidung, Haaren und Accessoires zusammen. Damit eröffnete er einen kunstwissenschaftlichen Diskurs, der sich nicht länger nur mit den höheren Künsten, sondern erstmals auch mit alltäglichen Phänomenen wie der Kleidung befasste. Zugleich prägte er dabei eine neue Terminologie und Wissenschaftsperspektiven, die sich auch heute noch auf zeitgenössische Phänomene anwenden lassen (siehe Warburgs Ikonologie). Das Forschungsprojekt wählt Warburg daher als essentielle theoretische Referenz und überführt seinen Begriff des bewegten Beiwerks durch den von uns konzipierten Begriff des virtuellen Beiwerks ins Digitale.

Der Transfer der Kleidung aus dem realen in den digitalen Raum korrespondiert dabei mit einem Phänomen, das Warburg in seiner interdisziplinären Forschung als Bildwanderung beschreibt. Diese Denkfigur erfasst ähnliche Formgebungen und ikonografische Verschiebungen in unterschiedlichen Bildmedien. Folgende Fragen liegen dem Projekt zugrunde: Auf welche Weise werden Textilien in den virtuellen Raum übersetzt oder erst dort produziert? Wie kann etwas Immaterielles aus einer kunsthistorischen Perspektive beschrieben und analysiert werden? Auf welche Weise wandern Objekte und Bilder, die nicht real existieren und wie bzw. wo findet diese Wanderung statt? Welche Ausdruckssteigerung (Warburg) liegt im virtuellen Gebrauch vestimentärer Erweiterungen? Im Kern der Forschungsarbeit steht dabei die Übertragung von Aby Warburgs Begriff des bewegten Beiwerks in den virtuellen Raum. Damit knüpfen wir direkt an jüngere bildwissenschaftliche Betrachtungen von Kleidung, aber auch an kulturwissenschaftliche Erkenntnisse über den digitalen Raum an und überführen bisherige Erkenntnisse in das neue Forschungsfeld der vestimentären Virtualität. Dabei wird zu fragen sein, wie der Forschungszugang durch Betrachtungen wie die Walter Benjamins, Georg Simmels oder Friedrich Theodor Vischers – die sich dem Thema Mode und Kleidung aus kunstwissenschaftlicher sowie philosophischer Perspektive widmeten – ergänzt werden kann. Zwar geht unsere interdisziplinäre Forschung primär von einer bildwissenschaftlichen Perspektive aus – wonach auch nicht-künstlerische Bilder wie digitale Grafiken oder textile Objekte zum Gegenstand der Forschung werden –, sie öffnet aber den Diskurs für weitere Forschungsfelder, in denen sowohl Kleidung als auch virtuelle Objekte eine Rolle spielen.

Dr. Leena Crasemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am BMBF-geförderten Forschungsverbund "Bilderfahrzeuge – Aby Warburg’s Legacy and the Future of Iconology" am Warburg-Haus Hamburg, die sich in ihrer Forschung mit dem Textilen befasst, begleitet den Verlauf des Projektes als Mentorin.

Gefördert wird das Forschungsprojekt im Rahmen der Exzellenzstrategie der Universität Hamburg.

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